Dolomiten Höhenweg 1 Etappe 6: Rifugio B. Carestiato nach Rifugio Pian de Fontana
Mittwoch, 04.07.2018
Wir sitzen tatsächlich schon um 6:45 Uhr am Frühstückstisch und sind hier nicht die einzigen. Die Wetterprognose treibt uns an, doch eigentlich ist erst einmal alles schön und friedlich hier in diesen Morgenstunden am Col di Pass. Eine halbe Stunde später sind wir unterwegs und laufen über eine Naturstraße zunächst abwärts zum Passo Duran, den wir gegen 8:00 Uhr erreichen. Von hier geht es weiter bergab über die asphaltierte Passstraße. Nach etwa 20 Minuten verlassen wir diese und biegen nach links ab, wo wir dem Weg über bewaldete Hänge steil hinauf zur Forcella Dagarei folgen.
Nachdem wir den Wald verlassen haben, liegt vor uns ein schmaler Pfad an den mit Latschen besetzten Schutthängen unter der Westwand des Tamèr-Massivs, der uns über Geröllfelder und Blockwerk zur Almhütte Casera Moschesin führt. Hier besteht Gelegenheit, am Brunnen die Wasservorräte aufzufüllen, doch ich bin noch gut versorgt und genieße lieber die herrlichen Ausblicke zur Pala- und Moiazzagruppe hinter mir. Wir steigen auf zur Forcella Moschesin und betreten hier den Nationalpark Belluneser Dolomiten, den wir bis zur morgigen Zielankunft durchstreifen werden. Von hier geht es über Wiesen abwärts Richtung Val Prampèr bis zum Rifugio Sommariva al Pramperèt, das wir gegen 12:00 Uhr Mittags erreichen.
Nun gilt es eine Entscheidung zu treffen: Vor uns liegen zwei Stunden Aufstieg über die Talvenagruppe und den ausgesetzten Grat an der Cime di Città mit anschließendem einstündigem steilen Abstieg zum Rifugio Pian de Fontana und es wird allgemein geraten, diesen Abschnitt bei Nebel oder Gewitter zu meiden. Zum Zeitpunkt unserer Ankunft ist das Wetter gut und während wir eine Portion Penne bestellen und ein neugieriges Katzenkind beim Spielen mit unseren Rucksäcken beobachten, konsultieren wir die Hüttenwirtin und diverse Wetterapps. Das bringt uns zunächst nicht wesentlich weiter, denn von Sonnenschein bis Weltuntergang scheint alles vertreten zu sein, die Tendenz geht jedoch in Richtung Unwetter irgendwann am frühen oder späten Nachmittag. Unser Ziel ist es, den Grat noch vor einer potentiellen Wetterverschlechterung zu überqueren und wir beschließen weiterzulaufen, um im Falle eines Wetterwechsels beim Aufstieg wieder umzukehren. So machen wir uns schließlich nach dem Essen gegen 12:30 Uhr erneut auf den Weg.
Es geht aufwärts über Latschenhänge zur Portèla Piazedèl, ab hier wird es felsig und steiler, es geht über Schotterterrassen, Karrenplatten und Geröll und über uns verdichten sich die Wolken, ohne zunächst bedrohlich zu wirken. Der Weg führt weiter steil bergauf unterhalb der Westwand der Cime di Città und nach einem kurzen Flachstück können wir im folgenden steilen Anstieg hinter uns ein erstes Donnergrollen hören. Die Sicht ist noch gut und die bedrohlich wirkende Wolkenfront ist noch weit entfernt in nordwestlicher Richtung, als wir schließlich den ausgesetzten Grat zwischen Cime di Città und Cime del Baranciòn erreichen. Mit der vorhandenen Schwindelfreiheit und Trittsicherheit ist die Stelle gut zu passieren und wir gelangen problemlos zum höchsten Punkt der Etappe an der Forcella Sud del Van de Città. Vor uns liegen noch einmal fast 800 Höhenmeter Abstieg und vom Donnergrollen ist zunächst nichts mehr zu vernehmen. Wir steigen ab in das Van de Città und erreichen eine Wiesenmulde in einem verflachenden Hochkar, in der mehrere Murmeltiere herumtollen. Unsere Anwesenheit scheint sie nicht besonders zu verstören und so begeben wir uns auf Fotosafari, bis uns ein erneutes Donnergrollen zum Weitergehen animiert. Während der Abstieg durch die nun wieder deutlich steiler werdende Grasflanke beschwerlicher wird, setzt der Regen ein. Wir ziehen unsere Regenjacken über, stülpen das Regencover über die Rucksäcke und gehen zügig, aber konzentriert im stärker werdenden Regen den steilen Abstieg zum Rifugio Pian de Fontana hinunter.
Wir werden die letzten sein, die heute den Grat an der Cime di Città überqueren, aber vor uns sind bereits Rita, Holly, Mike und Giuseppe aus Salt Lake City und Sean aus Inverness angekommen. Nachdem wir geduscht und unsere Betten im Gruppenlager bezogen haben, lernen wir uns beim Abendessen näher kennen, während unsere Wanderschuhe am Kaminfeuer trocknen. Ich entscheide mich heute für die vegetarische Variante mit Tortiglioni al verdure als Vorspeise und Grillkäse mit grünen Bohnen als Hauptgericht. Im Nachhinein ist unklar, ob die besondere Atmosphäre an diesem Abend dem guten Essen geschuldet war, dem leckeren mit Kräutern versetzten Grappa, den interessanten Gesprächen in der netten Runde oder einfach der Tatsache, dass dies nun unser letzter Hüttenabend auf unserer Dolomitentour sein sollte – wahrscheinlich war es ein wenig von allem.